Nostalgie für mittelalterliche Wissenschaftsmodelle im postnuklearen Zeitalter –
Die Physiker von Friedrich Dürrenmatt
Vortrag von Dr. Damaris Aschera Gehr (Rudolf Steiner Archiv, Dornach)
Sonntag, 18. Juni 2017, 9.00 Uhr
Vortragssaal, Faust-Archiv
Johann Wilhelm Möbius, Hauptfigur in Dürrenmatts Komödie Die Physiker, ist ein postnuklearer Physiker, der „das System aller möglichen Erfindungen“ entdeckt hat. Sich der Tatsache bewusst, dass „in der Freiheit“ seine Gedanken „Sprengstoff“ sind, inszeniert er seine eigene Verrücktheit, um im Verborgenen einer Nervenheilanstalt „das Geheimnis seiner Wissenschaft treu bewahren“ zu können. Ausgangspunkt des Beitrags ist die Inszenierung des Möbius. Um für verrückt gehalten zu werden, behauptet er, „dass ihm der König Salomo erscheine.“ Hier stellt sich die Frage: Warum bezieht sich der Physiker ausgesprochen auf Salomo? Und welchen Salomo meint er genau: Die biblische Figur oder deren Überarbeitung in der gelehrten Magie, in der Salomo von der Spätantike bis in die frühe Neuzeit zusammen mit Hermes Trismegistus als höchste Autorität der Magie galt? Letzterer These folgend, soll Dürrenmatts Stück als Gegenüberstellung von Paradigmen der modernen Wissenschaft und der mittelalterlichen Magie gedeutet werden.