Das Alchemisten-Labor des Doktor Faust

Eine Zeitreise in die Renaissance:
Besuchen Sie virtuell unser Alchemie-Labor

Virtueller Rundgang durch unser Alchemie-Labor in der neu gestalteten Ausstellung des Faust-Museums

Und so navigieren Sie im virtuellen Museumsraum:

Das Heranzoomen durch Anklicken der Ringe ermöglicht eine genaue Besichtigung der Exponate und der Bilder sowie das Lesen der Texte – fast wie bei einem realen Besuch. Die Illustrationen an den Wänden zeigen über vergrößerte Holzschnitte aus dem 16. Jh. die Arbeit in einem Alchemie-Labor der Renaissance sowie allegorische Darstellungen chemischer Prozesse auf Kupferstichen des Künstlers Matthäus Merian dem Älteren (1593-1650), entnommen aus dem Alchemie-Werk „Atalanta Fugiens“, das von dem Arzt und Alchemisten Michael Maier (1569-1622) verfasst wurde.

Die Exponate entsprechen den damals üblichen Stoffen und Instrumenten für die Forschung und Arbeit in einem Alchemie-Labor und wurden von Dr. Rainer Werthmann (Kassel), dem Co-Kurator der Alchemie-Ausstellung und Herrn Gerhard Zück (Faust-Apotheke Knittlingen) zur Verfügung gestellt.

In der großen Vitrine an der Stirnseite des Labors liegt der (nun schon wieder im Landesmuseum Halle befindliche) originale Kolben mit Destillierhelm (Alembik) und Laborgefäße aus dem 16. Jh, die Teil des Wittenberger Alchemie-Fundes sind. Die digitale Ansicht erlaubt eine „hautnahe“ Besichtigung, die bei geschlossener Vitrine vor Ort nicht möglich wäre.


Sehen Sie hier zusätzlich eine filmische Führung durch die Ausstellung mit Dr. Rainer Werthmann!


“Wir haben Fausts Labor gefunden!”

Nach Knittlingen kamen die einzigartigen archäologischen Funde durch die Kooperation mit dem Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle. Im Jahre 2014 bekam das Team des Faust-Museums / Faust-Archivs Besuch von einer Delegation aus Halle, bestehend aus Archäologen, Historikern und Chemikern. Angekündigt hatten sich die Kollegen mit der Sensation: “Wir haben Fausts Alchemie-Labor gefunden!”

Tatsächlich war bei Ausgrabungen auf dem Gelände des Franziskanerklosters in Wittenberg im Jahre 2012 die Abfallgrube eines Alchemielabors entdeckt worden. Sie lag an der Nordwand der Kirche unter einer zu einer Empore führenden Treppe und in der Nähe der ehemaligen Klosterküche. Unter anderem die stilistische Einordnung des vorhandenen Gebrauchsglases lässt auf die Zeit ab etwa 1570 (spätes 16. bis erste Hälfte des 17. Jahrhunderts) schließen. Damals war das Kloster bereits aufgehoben, und die Räume wurden vom Landesherrn zur anderweitigen Nutzung vergeben. Möglich ist, dass ein Laborant im Auftrag des Kurfürsten oder der Kurfürstin pharmazeutische Rohstoffe herstellte.

Da dem historischen Faust, Johann Georg Faust, auch zugeschrieben wurde, er sei in Wittenberg gewesen und anfangs das Alter des Labors auf das erste Drittel des 16. Jahrhunderts datiert wurde, hätte tatsächlich auch der Knittlinger Alchemist und Magier dort tätig gewesen sein können.

Eine große Tagung zum Thema Alchemie in der Renaissance allgemein und dem Wittenberger Fund im Speziellen folge im Jahre 2015. Die Museumsleiterin, Dr. Denise Roth wurde dazu als Referentin zur Legendenbildung des Faust-Mythos und dessen Weg in die Moderne eingeladen und knüpfte dort vielseitige Kontakte zu Kollegen und möglichen Kooperationspartnern – nicht zuletzt zu den Kuratoren und dem Leitungsteam des Museums in Halle.

Ein Exponat der im Jahre 2016 eröffneten großen Alchemie-Ausstellung in Halle gastiert damit als Teil eines rekonstruierten Alchemie-Labors der Renaissance zumindest zeitweise im Knittlinger Faust-Museum.

Von New York nach Knittlingen

Die Kollegen in Halle hielten Wort: Ohne großen bürokratischen Aufwand, aber mit aller Hilfestellung, die benötigt wurde, gelangten im Herbst 2020 einzigartige Ausstellungsstücke nach Knittlingen, begleitet von der Restauratorin Vera Keil, die das gesamte Alchemielabor in mühevoller Kleinarbeit zusammen gesetzt hatte. Zuvor waren die Exponate in New York ausgestellt gewesen, um nun in Fausts Geburtsstadt zu gastieren.

Der Fund in Wittenberg:

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Gefunden wurden einerseits ausgesprochene Laborgeräte aus Waldglas wie Cucurbiten (Destillationskolben) in verschiedenen Größen bis hinauf zu etwa 6 Litern und zugehörige Destillationshelme, auch Alembiken genannt, sowie Schmelztiegel aus gebranntem Ton. Retorten gab es aus Waldglas und aus Steinzeug. Eine Untersuchung der Bruchflächen der Gläser kam zu dem Ergebnis, dass die Geräte im Betrieb gesprungen und bereits als Laborabfall in die Grube gewandert waren. Weiterhin enthielt die Grube Haushaltsgeräte, die auf eine Zweckentfremdung im Labor schließen lassen: eine Salatschüssel, die als Sandbad verwendet werden konnte, ein durchgeschnittener Bräter aus Keramik als Muffel, Krüge, Trinkgläser und ein Einmachglas („Zuckerglas“) zur Aufbewahrung von Stoffen.

Aus den Rückständen in den Kolben, Retorten und Tiegeln konnte rekonstruiert werden, welche Stoffe in ihnen verarbeitet bzw. hergestellt wurden. Neben Schwefel- und Salpetersäure waren dies vor allem Antimonverbindungen, die seit Paracelsus Mode-Medikamente darstellten. Damit gehört der Wittenberger Alchemiefund zu den wissenschaftlich bedeutendsten seiner Art in Mitteleuropa.

Die Vitrine im Faustmuseum enthält aus dem Wittenberger Fund einen großen Destillationskolben (sogenannter Cucurbit) von etwa 5 Liter Inhalt, einen etwa darauf passenden Destillationshelm mit abgebrochenem langem Schnabel, ein durch Hitze verformtes Retortenfragment und einen dreieckigen Schmelztiegel. Neben dem Kolben liegt die Spitze, die vom produktionsfrischen Cucurbiten abgesprengt worden war, um die Öffnung bestmöglich an die des Helms anzupassen. Zum Absprengen verwendete man üblicherweise einen Draht, der erhitzt und dann an der vorgesehenen Stelle um den Kolbenhals gewickelt wurde.

Hintergrundinfos:

Form und Funktion der Exponate Cucurbit und Helm bilden zusammen eine Destillationsapparatur, deren Kolben auf Temperaturen von höchstens wenigen 100 Grad erhitzt wurde. Der Cucurbit wurde von unten erhitzt, und die Dämpfe der darin enthaltenen Stoffe stiegen in ihm hoch bis in den Helm. Dort kühlten sie ab, die destillierte Flüssigkeit kondensierte an der Kuppel des Helmes. Sie floss nach unten in eine innenliegende Rinne und von dort über den Schnabel nach außen, üblicherweise in einen Vorlage genannten Behälter: einen Kolben, eine Flasche oder auch einen Krug. Die Rückstände in einigen der Kolben lassen darauf schließen, dass damit Salpetersäure hergestellt wurde. Mit derartigen Apparaturen wurde aber auch Wein destilliert, oder es wurden Heilmittel produziert. 

Retorten wurden verwendet zur Destillation von hochsiedenden Stoffen wie z.B. konzentrierter Schwefelsäure. Sie wird durch Erhitzen von angeröstetem Eisenvitriol auf 700 – 800 °C hergestellt und siedet bei über 300 °C. Durch die hohe Temperatur im Bereich der Erweichungstemperatur des Waldglases wurde die Retorte sichtbar angeschmolzen.

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